Slowakei

Vorwärts in die Vergangenheit

11. März 2016

Marian Kotleba hetzte gegen Roma und Juden. Jetzt sitzt er im slowakischen Parlament.

Am zweiten Tag nach den Parlamentswahlen holte der slowakische Staatspräsident Andrej Kiska die Parteiführer zu Sondierungsgesprächen zu sich: erst den ruppigen Sozialdemokraten Robert Fico, dessen Partei Smer verlor, aber deutlich vor allen anderen Parteien liegt. Dann den selbstbewussten Neoliberalen Richard Sulík, dann einen Populisten, einen Millionär, einen Nationalisten und den Vertreter der ungarischen Minderheit. Nur einer durfte den Präsidentenpalast nicht betreten. Präsident Kiska erwähnte nicht einmal seinen Namen, warnte nur vor «radikalem politischem Extremismus in Uniform».

Der Ausgeschlossene schäumte: Der Präsident missachte den Willen von über zweihunderttausend Wählern, er trete damit die demokratischen Werte mit Füssen, postete Marian Kotleba, Führer der «Volkspartei Unsere Slowakei» (LSNS). Von seinen Anhängern bekam er Rückendeckung: «Lass dich nicht einschüchtern, Marian!», «Kiska ist ein Büttel der Amerikaner», «Das Volk ist mit uns».

Wahltriumph für slowakischen Neofaschisten

25. November 2013

Márian Kotleba verehrt den slowakischen Ex-Diktator Tiso und hetzt gegen Minderheiten. Jetzt ist er zum Präsidenten seiner Region gewählt worden.

Ein Kommentator schreibt von einem Albtraum, ein anderer von einer Katastrophe. Alle reiben sich die Augen und fragen: «Wie konnte das geschehen?» Doch das Wahlergebnis ist eindeutig. Der Führer der slowakischen Rechtsextremen, Márian Kotleba, siegte in der Stichwahl zum Präsidenten der mittelslowakischen Region Banská Bystrica mit 55,5 Prozent über den gemeinsamen Kandidaten von Sozialdemokraten und bürgerlichen Parteien. Kotleba verehrt den 1947 hingerichteten slowakischen Diktator und Hitler-Verbündeten Jozef Tiso, er tritt häufig in schwarzer Uniform mit den alten faschistischen Symbolen auf, hetzt gegen Juden und Roma und ist deshalb mehrmals verhaftet worden. Jetzt hat er eines der höchsten politischen Ämter im Staat.


Márian Kotleba in seiner Heimatstadt Banská Bystrica. Foto: B. Odehnal

Der naive Traum vom Bewältigen der Geschichte

2. Oktober 2012

Ein Zürcher Filmproduzent möchte eine slowakische Kleinstadt an ihre jüdische Vergangenheit erinnern. Und stösst auf überraschend grossen Widerstand.

Von Bernhard Odehnal, Komarno

Der Saal ist voll, doch Peter Scheiner ist enttäuscht. Weder der Museumsdirektor noch sein alter Freund, der Vizebürgermeister, sind gekommen. «Es interessiert sie nicht», murmelt der Zürcher Filmproduzent, «obwohl es ihre eigene Vergangenheit ist.» So zeigt Scheiner den Film, den er zusammen mit seiner Frau Susanne gedreht hat, im ungarischen Gymnasium der slowakischen Kleinstadt Komarno vor hundert Schülern und ihren Lehrern. «Naive Träume» heisst die halbstündige Dokumentation über eine kleine jüdische Gemeinde, die dem Untergang trotzt. Scheiner möchte den Menschen von Komarno ihre vergangene und jetzige Geschichte zeigen und dabei erfahren, «wie viel sie davon überhaupt wissen».

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